Josef Löw

* 20. September 1899  † 6. Oktober 1944

Der 6. Oktober 1944, ein unheilvoller Herbsttag 

 

Der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, Dwight D. Eisenhower, und die Generäle Bradley und Patton hatten am 2.9.1944 irr Chartres den Entschluss gefasst, den Durchbruch durch den Westwall im Bereich der heutigen Kreisstadt Saarlouis, damals Saarlautern, zu erzwin­gen. 

In Lebach als Eisenbahnknotenpunkt galten die Bombenangriffe vor allem dem Bahnhof mit den Rangieranlagen und Verladeeinrichtungen für Militärfahrzeuge und Munition. Diese Luftangriffe verfehlten häufig ihr Ziel und trafen die Häuser entlang der parallel zu den Gleisen verlaufenden Jabacher Straße. 

Am Freitag, dem 6.10.1944, wurde das Haus der Eheleute Josef und Agnes Loew geb. Ziegler als erstes Haus in Lebach durch einen Bombenvolltreffer total zerstört. Der damals 14-jährige Willi Loew spricht von einem Herbsttag, der zunächst »sonnig« und »friedlich« war. Er erinnert sich: »Um 16. 00 Uhr wurde dieser Herbstfriede jäh unterbrochen. Einige Feindflieger griffen ohne vor­herigen Luftalarm einen Militärzug auf den Eisenbahngleisen an. Im Haus befand sich außer mir nur mein 45-jähriger Vater. Meine Mutter war zuvor mit der Mieterin Regina Kreis und deren Kin­dern Inge und Amanda noch schnell in den Keller des Nachbarn Nikolaus Jungmann geeilt, da es bis zum 100 Meter entfernten Luftschutzbunker zu spät war. Ich kam vbm Einkauf ins Haus, weckte im Schlafzimmer des Erdgeschosses den Vater, der als Eisenbahn­beamter Nachtdienst hatte und am Tag einige Stunden schlafen musste. Ich sah, wie er sich ankleidete und beim Einschlag der Bombe die Fensterscheiben ins Haus fielen. Dann hörte ich ein ohrenbetäubendes Krachen und die Todesschreie des Vaters. Die einige Zentner schwere Sprengbombe fiel durch das Haus bis in den Keller, explodierte dort und zerstörte das im Jahre 1936 erbaute Haus bis auf die Grundmauern. Ein Augenzeuge aus der Mottener Straße sah, wie sich das Gebäude nach dem Einschlag der Bombe hob und danach wie ein Kartenhaus zusam­menbrach. 

Nach einigen Schrecksekunden lag ich eingeklemmt mit einem Beinbruch zwischen Kochherd, Balken und Bruchsteinen aui einem riesigen Trümmer­berg. Nach Auflösung der Staubwolke sah ich den verheerenden Scha­den. Josef Lauer und Johann Pütz aus der Nachbarschaft leisteten mir zunächst Hilfe und brachten mich auf einer Tragbahre in das Reserve­lazarett (jetzt Gymnasien) in der Dillinger Straße. Dort besuchte mich noch vor der ärztlichen Versorgung Kaplan Hubert Stockhausen, der mich als Ministrant gut kannte. 

Nach längerem Suchen fand man unter den Schuttmassen und im Garten Körperteile vom Vater. Die Beisetzung fand einige Tage später auf dem Lebacher Ehrenfriedhof wegen der Fliegergefahr schon frühmorgens statt. Von 1942 bis Mai 1944 war der Vater im Eisenbahndienst in der Ukraine eingesetzt und überlebte am 4. Dezember 1942 einen nächtlichen Partisanenüberfall auf seine Dienststelle bei Kiew, wobei auch sein Lieblingsinstrument, die Konzert-Zither, verbrannte. 

Am 12.10.1944 wurde ich nachts mit weiteren Verwundeten in einem Viehwaggon der Bahn nach St. Wendel in das Marienkrankenhaus verlegt, wo ich oft wegen Fliegerangriffen in den Luft­schutzraum musste. Nach Verheilung des Beinbruchs kehrte ich zu meiner Mutter, die bei Ver­wandten in Eiweiler eine Unterkunft erhalten hatte, zurück. Als die Front näher kam, flüchteten wir im Dezember 1944 mit Verwandten nach Hirzweiler in ein Jagdhaus in einem Tannenwald, wo wir durch Artilleriegeschosse der deutschen Wehrmacht, die für anrückende Amerikaner gedacht waren, fast ums Leben kamen. Nach Einzug der Amerikaner kehrten wir am 19 . .fyiärz 1945 nach Eiweiler zurück. Von 1946 bis zum Wiederaufbau des Wohnhauses durch die Lebacher Baufirma Alt im Jahre 1949 wohnten wir im Hause der Familie Aloys Scharr-Simon in der Lebacher Pfarrgasse. Mit einem Wiederaufbaudarlehen zu zwei Prozent konnte das Haus nochmals aufge­baut werden.« 

Die Mutter von Willi Loew starb 74-jährig im Februar 1979. Er selbst trat 1947 in den öffentlichen Dienst der Gemeinde (jetzt Stadt) Lebach ein, erwarb 1964 sein Verwaltungsdiplom an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Saarbrücken und trat nach fast 50jähriger Dienstzeit im November 1995 in den Ruhestand. Er spricht von »tiefeingewurzelten Erinnerungen an diese schreckliche Zeit, die niemand verdrängen kann« und wünscht sich, »dass man nach all den Kriegs­erlebnissen an der Erhaltung des Friedens stets mit Vernunft meisterlich arbeiten sollte; denn der Friede ist, wie es der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) formuliert hatte, ein Mei­sterwerk der Vernunft.«

Familie Löw mit Verwandten und Bekannten vor ihrem Haus in der Jabacher Straße im Jahr 1942.